Klares Sehen, dass ich nicht (mehr) dieses kleine traumatisierte Ich bin

Was, meiner Erfahrung gemäß, die Heilung nicht nur entscheidend beschleunigt sondern vor allem anderen festigt und stabilisiert, ist das klare, verkörperte Sehen, dass du nicht (mehr) dieses kleine, traumatisierte Ich (das traumatisierte Innere Kind), ebenso wenig wie die damit einhergehenden Ängste, das Gefühl des Bedrohtseins, Rastlosigkeit, Unruhe, Bedürfnisse, Erwartungen, Gedanken noch die körperlichen Auswirkungen bist. 

Anders ausgedrückt: Ein Trauma kann nur solange wirklich an Kraft gewinnen solange du dich noch mit einer Erinnerung und den damit verbundenen Glaubenssätzen identifizierst und nicht siehst, dass der Körper bereits erwachsen ist und inzwischen Fähigkeiten und Ressourcen hat, die das kleine Ich früher nicht hatte. Das innere Kind ist jetzt nicht mehr ausgeliefert, sondern hat einen kräftigen Erwachsenen an seiner Seite sowie, idealerweise, das Bewusstsein Dessen, was du wirklich bist (siehe hierzu auch “Das innere Kind und die Stille”).

Sich identifizieren heißt, du hältst die Gedanken, Gefühle, Erwartungen, Bedürfnisse,  Körperempfindungen und Paranoia, die mit dem Trauma abgespeichert sind, für real, anstatt zu sehen, dass es sich um eine alte Geschichte handelt, die im Jetzt in Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen erscheint, angesehen und als das erkannt werden möchte, was sie ist: Eine unangenehme, das heißt bisher nicht anerkannte, liebevoll bis zu Ende gefühlte und gebrachte Erinnerung bzw. Erinnerungsfragmente. Wird dir all das bewusst, bleibt nichts übrig als Stille, tiefer Frieden, Weite, kurz: Das, was du wirklich bist.

Denn das tiefste Trauma, das Urtrauma ist es, nicht erkannt zu werden als Das, was du bist: Bedingungslose Liebe, unglaubliche Schönheit und Lebendigkeit und stattdessen als etwas behandelt zu werden, das nicht genügt, als jemand, der funktionieren muss, kurz: als etwas oder jemand, der eine Wahl hat, etwas anderes zu sein als Das, was du bist.

So entsteht das “falsche Ich”.

Das heißt, in dem Sehen, dass du nicht (nur) diese alte Geschichte, Gefühle und Körperempfindungen bist, sondern Das, was all Das wahrnimmt, zärtlich hält und fühlt – Bewusstes Sein - kann sich die Identifikation damit lösen - immer wieder. Ich nenne das Erwachen – aus dem Traum(a), ein getrenntes, verletztes, ungeliebtes oder besonderes Ich zu sein.

Allerdings kann dieses Sehen nicht erzwungen werden, sondern entsteht - ganz natürlich - aus der Lösung von einem Traum(a), wenn diese gewissermaßen nicht immer wieder verhindert wird. Es ist also nicht zu empfehlen, dies zu früh ins Spiel zu bringen, solange das Nervensystem noch nicht stabilisiert ist und der Klient auch – von selbst – bereit und in der Lage, ja, neugierig darauf ist, all das zu entdecken und sich, in der Folge, spontan körperlich und emotional zu entladen sowie die Ursprungserfahrung zu Ende zu bringen.

Zugleich: Erst in diesem Erkennen, dass das traumatisierte Ich eine alte, verkörperte Geschichte ist, bist du wirklich frei, das heißt in der Lage zu sehen, dass eine Erinnerung am Werk ist, die gesehen, erfahren und vollendet werden möchte - immer wieder, bis zum letzten Atemzug (mehr zum Thema Erwachen und ihre Verkörperung in meinem E-Book „Traum(a) und Wirklichkeit“).

Wenn ein solches Sehen ein erstes Mal stattgefunden hat, ist es elementar, es zu stabilisieren, da der traumatische Zug zurück in Vergangenheit, Gewohnheit und Abwehr des Traumas gewöhnlich enorm stark ist und von den uns umgebenden Menschen zudem meistens kräftig unterstützt wird. Es ist deshalb gut, sich bei der Auflösung eines Traumas kompetente Hilfe zu holen, sei es im Satsang (insofern Kompetenz in diesem Bereich vorliegt, die bisher noch rar ist) oder/und im Rahmen einer Therapie bei einem/r Therapeuten/Therapeutin, bei dem/der selbst bereits Erwachen geschehen ist, der/die es bereits verkörpert hat und über viel Erfahrung mit eigenen wie in der Begleitung von Traumata verfügt.

Ansonsten kann Satsang ebenso wie Therapie eine Dissoziation oder sogar Neuaktivierung des Traumas zur Folge haben. Letzteres kann wiederum zu einer Überlastung oder sogar zu einem Zusammenbruch des Nervensystems führen. Häufig werden in traditionellen Therapien ebenso wie im Satsang dabei eher Überlebensstrategien und damit die Vermeidung eines Traumas verstärkt denn eine bewusste Loslösung davon.

Eine fachmännische Begleitung hingegen ist zutiefst (auf)lösend, wohltuend und entspannend. Also, genau das Gegenteil.

Kurz: Ein entscheidendes Kriterium, ob eine Traumatherapie bzw. ein Satsang gut ist - so sehe ich es - ist, wenn du dich geliebt, sicher und geborgen fühlst, sie bzw. er dich entspannt, dich zugleich immer bewusster, wacher und lebendiger macht (und somit nicht wieder “einschläfert”), dir gut tut, dich aber auch direkt und ohne Umschweife an deine Themen bringt, dir hilft, dich, deine Gefühle und Körperempfindungen wahrzunehmen, dir selbst nahe zu sein, dich mit allem selbst zu regulieren und alte, destruktive Überlebensstrategien, -identitäten und Glaubensstrukturen aufzudecken.

Man könnte sagen, eine wirklich kompetente Trauma-Begleitung ist zugleich stabilisierend wie “erweckend“.

Logisch, oder?

Aber wie desidentifiziere ich mich - idealerweise sogar ohne Hilfe von außen?

Ich empfehle an dieser Stelle gerne eine einfache Fragetechnik, die sich The Work of Byron Katie nennt. Sie besteht aus vier respektive fünf Fragen und einigen Umkehrungen und wurde von Byron Katie nach einem ersten Erwachen aus ihren Traumata entwickelt, um nicht wieder zurückzufallen in die traumatische Trance.

Man kann sie aber auch gut anwenden, um sie zu durchschauen respektive aus ihr zu erwachen.

Du findest eine genaue Anleitung dazu im Internet mit Arbeitsblatt und auch viele Videos von Byron Katie dazu. Ich werde sie deshalb hier nur kurz an einem Beispiel erläutern, um dir ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie sie wirkt, so dass du selbst entscheiden kannst, ob du sie anwenden möchtest. Aber bitte, nütze sie nur, wenn du ein gutes Gefühl dabei hast, neugierig darauf bist, die Wahrheit zu erfahren, und dich wohl fühlst dabei, denn es braucht einen relativ entspannten Zugang zur Stille.

Ansonsten hole dir lieber kompetente Hilfe dabei oder mache es später, wenn du dich stabiler fühlst.

Hier nun das Beispiel:

Eine der häufigsten Gefühle, die bei einem aktiven Trauma auftreten, ist Angst respektive das Gefühl des Bedrohtseins. Das hat damit zu tun, dass du unbewusst dem Glauben folgst, dass da Jemand ist, ein kleines Ich, das sich bedroht fühlt und glaubt, jemand sein zu müssen, der funktioniert, etwas leisten muss, nicht untergehen darf. All das beruht auf einer alten Erfahrung. Da sie körperlich wie emotional gut programmiert ist, wirkt sie sehr real. Wenn du ihr Glauben schenkst respektive ihr immer wieder folgst, entstehen daraus leidvolle Re-Inszenierungen, die allerdings auch genutzt werden können, um Erkenntnisse daraus zu gewinnen und sie aufzulösen.

The Work lädt dich ein, die Glaubensstrukturen, die dahinter stehen, herauszufinden. Das könnte z. B. der Gedanke „Ich bin Jemand, der bedroht ist“ sein.

Kurz: Wenn du Leid, innere Spannungen, Angst, Druck, Unruhe, Wut spürst, wendest du The Work an, um die Glaubensmuster und Identifikationen, die dieses Leid aufrechterhalten, herauszuarbeiten und auf ihren Wirklichkeitsgehalt zu hinterfragen.

Der Gedanke in diesem Beispiel ist also: „Ich bin bedroht“ respektive „Ich bin Jemand, der bedroht ist.“

Die erste Frage, die The Work hier vorschlägt, ist:

1. Ist das wahr?

Ist da wirklich ein Jemand, der bedroht ist? Jetzt, in diesem Moment? Schaue und spüre hin, was in dir zu dieser Frage aufsteigt – aus der Stille: „Ja“ oder „Nein“ oder „Ich weiß es nicht.“

Wenn die Antwort „Ja“ oder „Ich weiß es nicht“ ist, frage dich zusätzlich

„Kannst du wirklich absolut sicher sein, dass das wahr ist?“

Und wieder schaust du hin, was in dir aus der Stille, beim ruhigen Verweilen mit der Frage erscheint. Nehmen wir mal an, ein „Nein“. Denn in Wirklichkeit ist da Niemand, keine Person, kein abgetrenntes Ich, nur Das, was gerade ist, so wie es ist.

Nun kommt die zweite Frage:

2. Wie geht es dir, wenn du dem Gedanken folgst? Wie verhältst du dich dann?

Hier könnte nun kommen: „Ich fühle mich unsicher, zittrig, zart, hilflos, ausgeliefert, klein mit Hut, leicht zu erschüttern, ja, wie ein Fähnchen im Wind, unfähig, einen wirklich klaren Gedanken zu fassen, auf der Flucht, ängstlich, schnell überfordert, schnell auf Abwehr, verdeckt aggressiv.“

So kommen wir zur dritten Frage:

3. Wie geht es dir ohne den Gedanken, wenn du ihn einfach mal für einen Moment ganz weglässt, so als habe es ihn nie gegeben?

Erfahrungsgemäß kommen hier häufig Antworten wie: „Ich bin mehr da, bei mir, still, ruhig, im Frieden mit mir und allem um mich herum, entspannt.

Wenn wir nun die Ergebnisse der zweiten und dritten Frage miteinander vergleichen, erkennen wir in diesem Beispiel, dass es uns ohne den Gedanken viel besser geht, dass wir uns frei und im Frieden, wieder Zuhause fühlen.

Insofern kommt nun noch die

4. Frage: Gibt es einen guten Grund, an dem Gedanken festzuhalten?

In diesem Fall ist die Antwort meistens „Nein“. Aber lass dich nicht von den hier angegebenen Antworten irritieren. Schau wirklich hin, was deine Antworten auf die jeweiligen Fragen sind.

Das heißt, finde heraus, was für dich wahr ist und was nicht, was sich gut anfühlt für dich und was nicht.

Nun kommen wir zu den Umkehrungen. Wie könnte man den Ursprungsgedanken umkehren?

Ich schlage vor:

Umkehrung 1: „Hier ist niemand, der bedroht wird.“

Und nun schau, wie sich diese Umkehrung für dich anfühlt. Gut, schlecht, mittel? Ist sie wahr für dich. Lass dir Zeit hinzuspüren und notiere dir deine Befindlichkeit, z. B.: „Genau! Puuh! Fühlt sich gut an!“ oder: „Nee, das ist nicht wahr!“

Vielleicht finden wir auch noch weitere Umkehrungen, wie:

Umkehrung 2: „Ich bin Alles und Nichts zugleich.“

Und wieder fühlst du hin, was dann in dir geschieht. Vielleicht wird es ganz still und und friedlich in dir oder du spürst ein klares „Nein“ dazu.

Mit selbst geht es nach einer solchen Hinterfragung gewöhnlich immer super gut. Es ist wie wenn wieder etwas aufgeräumt wurde. Ich nehme mir allerdings auch immer viel Zeit für einen Gedanken oder worke oft denselben immer wieder, je nach Bedarf.

Byron Katie berichtet in ihrem Buch „Ich liebe, was ist“ sogar, dass sie den Gedanken „Meine Mutter liebt mich nicht“ ungefähr ein Jahr lang überprüft hat (Katie 2017, S.12 f). Das war ihre Art intensiver und gründlicher Glaubenssatzarbeit.
 

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