"Was ist mir wirklich wichtig? -

Kooperation oder Konkurrenz, Liebe oder (Macht)Kampf,

still- oder jemandsein?". 

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Wusstest du, dass uns Menschen kaum etwas so sehr belastet wie der Verlust zwischenmenschlicher Bindungen und dass uns nur wenig so sehr motiviert und begeistert wie die Aussicht auf eine Begegnung mit einem geliebten Menschen bzw. auf echte (nicht manipulative) Wertschätzung und Anerkennung durch einen für uns wichtigen Menschen? Ja, der Neurowissenschaftler, Internist und Psychiater Joachim Bauer geht in seinem Buch „Prinzip Menschlichkeit“ aufgrund neuester Forschungen aus der Neurobiologie sogar so weit zu behaupten, dass alle Ziele, die wir verfolgen, seien sie beruflicher, finanzieller oder sonstiger Natur auf menschliche Zuwendung und für uns zutiefst sinnstiftende, befriedigende, erfüllende Beziehungen abzielen: „Nichts aktiviert die Motivationssysteme so sehr wie der Wunsch, von anderen gesehen zu werden, die Aussicht auf soziale Anerkennung, das Erleben positiver Zuwendung und – erst recht – die Erfahrung von Liebe.“ (Bauer 2008, S. 37).

 

Kurz: Wir Menschen sind zutiefst soziale Wesen, die es genießen, zu kommunizieren, zu kooperieren, zu lieben und geliebt zu werden. Auch lassen sich Probleme jeglicher Art “gemeinschaftlich erwiesenermaßen besser lösen als durch individuelle Strategien.” (Bauer 2008, S. 191). Deshalb prägten auch Thomas R. Insel und der Hirnforscher Russel D. Fernald den Begriff des „social brain“ (Insel 2004).

 

Wenn das aber so ist, warum tun wir dann oft genau das Gegenteil von dem, was uns so offensichtlich “im Gehirn” ebenso wie am Herzen liegt? Warum machen es sich Menschen so unglaublich schwer, sich gegenseitig zu unterstützen anstatt miteinander zu konkurrieren, einander nah zu sein, zu geben und zu nehmen, was wir so offensichtlich ersehnen und für unser Wohlergehen brauchen? Warum trennen sich so viele Paare nach einem vielversprechenden Auftakt? Warum gibt es so viele Konflikte, ja, Kriege, sei es in der Familie, in Partnerschaft, Beruf und Politik? Warum treiben wir Raubbau an unserer Umwelt und nehmen damit zukünftigen Generationen die Möglichkeit auf eine Erde, auf der sie gerne und erfüllt leben können?

 

Nun, meine Antwort darauf ist, dass wir uns unserer eigenen Natur, Dem was wir wirklich sind, zutiefst entfremdet haben und sind. Ich selbst, ebenso wie Bauer (Bauer 2008, S. 67 ff) führe diese Entfremdung auf frühe traumatische Erfahrungen, die daraus resultierenden Überzeugungen und sehr kurzfristig gedachten Überlebens- und Lösungsstrategien zurück.

 

Denn gerade weil unsere Natur eine zutiefst kooperative ist und wir leben, lieben und überleben wollen, ja, bedingungslose Liebe sind (!), passen wir uns schon sehr früh, manchmal schon im Mutterbauch, an die oft nicht idealen Gegebenheiten sowie die Erwartungen und Vorstellungen unserer engsten Bezugspersonen an, die häufig selbst bereits traumatisiert sind – und spalten uns dabei von anderen wesentlichen Bedürfnissen, Gefühlen und Wünschen ebenso wie von unserem Körper ab. Wir spüren uns und unsere wahren Bedürfnisse nicht mehr, ja, wir werden zunehmend unnatürlich, sagen nicht mehr, was wir wirklich fühlen, denken und empfinden, sondern entsprechen mehr und mehr einem Bild, das kaum noch etwas mit uns selbst und unserem Gespür für eine ganz natürliche Würde zu tun hat.

 

Wir lernen, uns zu kontrollieren und so zu verhalten, wie man es von uns erwartet, um die so sehr ersehnte Zuwendung, Anerkennung, Aufmerksamkeit und Liebe unserer Eltern und später unserer Partner, Freunde, Kollegen, Nachbarn, unseres Vorgesetzten nicht zu verlieren respektive zu bekommen.

 

Und, vor allem: Wir behandeln unsere Mitmenschen als Erwachsene dann genauso wie man uns als Kind behandelt hat.

 

Logisch, oder?

 

Wir sind dadurch nicht mehr wir selbst, können nicht mehr spüren, was uns wirklich wichtig ist, verlieren uns in den Erwartungen, Projekten und Projektionen anderer, ja, der Gesellschaft, und wundern uns dann irgendwann, warum wir uns so leer, deprimiert, unerfüllt, erschöpft, überfordert und einsam fühlen – mitten unter den Menschen, die wir so eifrig davon zu überzeugen suchen, wie anerkennenswert wir sind.

 

Im Grunde kann man sagen, dass ein Mensch, der sich ständig selbst verlässt, weil er nicht mehr er selbst ist, nicht mehr in Liebe ist, sich selbst betrügt und verrät, und dadurch natürlich auch seinem Gegenüber kontinuierlich etwas vormacht, das gar nicht der Wirklichkeit entspricht.

 

Deshalb haben diese innere Abspaltung und Fragmentierung auch tiefgreifende Konsequenzen für unsere Beziehungen. Denn wer sich selbst verlässt, darf sich nicht wundern, wenn er sich verlassen und verraten fühlt und - früher oder später - auch tatsächlich verlassen wird.

 

Dabei folgen wir unbewusst tradierten Vorstellungen wie z. B. der von Charles Darwin aus dem Jahre 1871, der zufolge der Mensch einem fortwährenden Konkurrenz- und Überlebenskampf ausgesetzt ist und sein muss. Kooperation, Zusammenhalt und Freude an gemeinsamem Handeln stehen, so Darwin, nur im Dienst dieses Kampfes. Dieses Gedankengut feierte dann noch einmal 1976 im Kreis um den englischen Biologen Richard Dawkins und seinem „egoistischen Gen“ ein furioses Comeback.

 

Darwins ebenso wie Dawkins` Sichtweisen scheinen aber tatsächlich mehr in die Wirtschaft zu passen als dass sie die wahre Natur des Menschen geschweige denn der Natur als solches beschreiben.

 

Denn: Neuere Forschungen aus der Neurobiologie widerlegen diese Vorstellungen, die allerdings sehr fest in den Köpfen der Menschen verankert sind.

 

Und, vor allem: Vorstellungen, Glaubenssätze und Überzeugungen haben einen großen Einfluss auf die Art, wie wir uns selbst sehen und verhalten und was wir für wahr halten. Selten hinterfragen wir sie, ja, wir geben sie häufig kritiklos an unsere Kinder, Kindeskinder und Mitmenschen weiter.

 

Denn es gibt wenig, was uns so sehr verstört, als althergebrachte Vorstellungen zu hinterfragen, womöglich sogar aufzugeben und durch neue, realistischere, liebevollere und damit unserer Natur gemäßere zu ersetzen. Das bringt unser Gehirn erst einmal kräftig in Unordnung, konfrontiert uns mit alten Ängsten und fühlt sich häufig an wie Sterben. Was da aber zusammenbricht ist ein irreales Welt- und Selbstbild, das wir von unseren Eltern übernommen und an das wir uns lange ängstlich geklammert haben. Dadurch erleben wir es auch oft so, als ob die Welt zusammenbricht oder wir selbst es zu sein scheinen, die sterben.

 

Aber was stirbt ist nur eine Vorstellung. Das, was wir wirklich sind, kann nicht sterben. Es ist immer da. Es ist Das, was diese Zeilen hier schreibt, Das, was sie gerade liest und versucht, sie zu verstehen und zu erfühlen.

 

In Wirklichkeit steht hinter Konkurrenzdenken, Macht- und Herrschaftsstreben die Angst vor der Lebendigkeit und Liebe, die wir in Wirklichkeit sind, und vor allem, vor dem Nichts, vor Kontrollverlust, dem Gefühl der Hilf- und Machtlosigkeit und des Ausgeliefertseins, vor alten Erfahrungen von Bindungslosigkeit, Verlassenwerden und Verlust, die, wie früher, eintreten könnten - wenn wir einfach nur wir selbst sind und zu dem stehen, was wir wirklich wollen, fühlen und denken.

Und so stoßen wir zurück bevor wir wieder zurückgestoßen werden, verletzen und verachten bevor wir wieder verletzt und verachtet werden.

 

Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einer Frau, die sich an mich gewandt hatte, weil die Konflikte zwischen ihr und ihrem Mann zunahmen und sie sehr unglücklich darüber war. Sie teilte mir mit, dass sie ihrem Mann beim letzten Streit Trennung angedroht und den Ort des Geschehens verlassen hatte. Kurz darauf spürte sie, dass sie nicht glücklich war über ihr Verhalten und entschuldigte sich bei ihrem Mann. Als wir näher hinsahen, wurde ihr klar, wie sehr sie ihn liebte und dass es alte, traumatische Muster waren, die sie dazu trieben, ihn zu kritisieren, unter Druck zu setzen, zu streiten und wegzulaufen, weil sich das im ersten Moment sicherer anfühlte als zu ihrer tiefen Liebe zu ihm zu stehen und sich verletzlich zu machen. Indem sie sich bei ihm entschuldigte und sich mit meiner Hilfe alles genau ansah, ihre wahren Motive hinter ihrer Streit- und Angriffslust erschloss und dabei herausfand, wie zielsicher sie die Beziehung zu ihren Eltern und den väterlichen Missbrauch re-inszenierte, hatte sie sich der Liebe zugewandt - zu sich selbst und ihm - abgesehen davon, dass sie dadurch auch ihr gemeinsames Kind vor großem Schaden bewahrte. Sie hatte sich entschlossen, zu kooperieren, mit ihm über alles zu sprechen, Win-Win-Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten stimmten, anstatt ihn und sich zu verurteilen, sich weiter abzutrennen und damit dem Kontrollverlust und dem Gefühl tiefer Verletzlichkeit auszuweichen.

 

So etwas braucht den Mut, hin- statt wegzusehen, sich seinen traumatischen Themen, Gefühlen und Überzeugungen zu stellen, sich verletzlich zu machen und damit alte, tief und oft unbewusst verankerte elterliche Tabus zu brechen. Es braucht Vertrauen in die eigene Wahrnehmung, die Liebe und ins Leben. Aber vor allem eine klare Entscheidung für dich, das, was dir gut tut, Das, was du wirklich bist.

 

Machtkämpfe hingegen entstehen, wenn wir genau das Gegenteil tun: Wenn wir die alten Gefühle und das Risiko vermeiden, verletzt zu werden, wenn wir uns mit dem traumatisierten, inneren Kind und seinen Überlebensstrategien identifizieren und damit – immer und immer wieder – alte Themen re-inszenieren.

 

Auch das Thema Konkurrenz basiert auf dem Glauben an einen alten Mangel, daran, nicht zu genügen, falsch zu sein, nicht dazuzugehören und sich seiner Haut erwehren zu müssen. Ein Ich, das glaubt, sich und anderen etwas beweisen zu müssen, ist nicht erwachsen, das heißt, es ist nicht wach, ist sich nicht seines Wertes noch seiner Würde bewusst.

 

Denn: Ein wacher, bewusster Mensch merkt sofort, wenn er sich, die bedingungslose Liebe, den Frieden und unendlich weiten Raum, der er ist, verlässt, indem er so tut als sei er ein kleines, ungeliebtes, bedrohtes Ich, das ums Überleben kämpfen muss und dafür seine zutiefst gesunde Freude an der Liebe, am Spielen, an Klarheit, Offenheit und Aufgeräumtheit, am gemeinsamen Entdecken einer Lösung für die anstehenden Probleme, an einer freundlichen wie lustvollen Begegnung verleugnet und stattdessen sein Gegenüber wegstößt, ignoriert, kritisiert, überzeugt, manipuliert, ausbootet, mobbt, betrügt, erniedrigt, ihm und damit sich selbst, verbale, emotionale und/oder körperliche Gewalt zufügt.

 

Denn das fügt allen Beteiligten Schmerzen zu, beraubt sie ihres Vertrauens in die Fähigkeit, erfüllende Beziehungen zu gestalten und ist sehr kräftezehrend, abgesehen davon, dass ich mich und mein Gegenüber dabei kontinuierlich retraumatisiere und meine Handlungen ständig vor mir selbst und anderen rechtfertigen und verbergen muss (Täter-, narzisstische Trance).

 

Was für eine Energieverschwendung!

 

Kurz: Es tut niemandem gut, schwächt und belastet dich und deine Umwelt und entfernt dich (scheinbar) immer mehr von dir selbst - Dem, was du wirklich bist.

 

In dem Sehen, was du wirklich bist, ist das vollkommen unnötig. Denn es besteht keine Not, vielmehr unendliche Fülle und Lebensfreude, tiefe Verbundenheit und (Selbst)Liebe.

 

Und auch ganz praktisch: Was macht mehr Spaß, ja, befriedigt und berührt uns tiefer? Meine Mitmenschen manipulieren, abwerten, betrügen und ins Aus zu drängen oder Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten kurz- wie langfristig ein Gewinn sind?

 

Das ist natürlich oft erst einmal aufwändiger, aber diese Lösungen sind die einzigen, die tragfähig sind, denn sie werden von allen Beteiligten mitgetragen, wohingegen alles, was du durch verbale, emotionale, körperliche oder andere Formen von Gewalt, mit aller Macht oder unter Druck erzwingst, erst einmal kurzfristig Erleichterung verschaffen mag, sich allerdings wieder erholt und mit neuer, oft sogar verstärkter Kraft zurückkehrt und dich vor noch größere Hereinforderungen stellt.

 

Logisch, oder?

 

Deshalb: Zwinge niemandem deine Vorgehensweise auf, sondern bleibe freundlich und beweglich, jederzeit bereit, zu (ver-)lernen. Zugleich: Lasse dir auch von niemanden etwas aufzwingen, was nicht wirklich für dich stimmt und tue nichts, was nicht auch für dich ist, dir nicht gut tut, respektive dir keine Freude bereitet.

 

Denn: Ich plädiere hier nicht dafür, immer nur lieb, brav und verständnisvoll zu sein. Manchmal steht es auch ganz klar an, „Nein“ zu sagen, zu zeigen, wo der Hammer hängt, das Gegenüber zu konfrontieren oder den Rückzug anzutreten, vor allem und gerade, wenn ein Mensch versucht, sich - ebenso wie dich - offen oder heimlich zu manipulieren, zu benutzen, emotional oder in anderer Weise auszubeuten, zu erniedrigen oder zu missbrauchen.

 

Ich spreche hier vielmehr von Echtheit und Authentizität, davon, Das wieder zu entdecken, was du wirklich bist, fühlst, denkst und empfindest, ja, mit deiner Wahrnehmung ganz nah bei dir, deinem ganz natürlichen Sein, der bedingungslosen Liebe zu bleiben, die du in Wirklichkeit bist, dem zu vertrauen, ja, dazu zu stehen, was du fühlst, brauchst und möchtest bzw. zu vermeiden, was dir schadet, dich krank oder unglücklich macht – freundlich, klar und bestimmt, ohne ein Gegenüber zu verurteilen, das da (noch) nicht steht und das, ebenso wie du, sein Bestmögliches gibt, auch wenn es vielleicht nicht immer so erscheint.

 

Und im Gegensatz zu Joachim Bauer, der sehr stark die kooperative, soziale Seite des Menschen betont, schätze ich auch das physische Alleinsein und den zeitweisen Rückzug sehr, ja, finde es ungemein wichtig, um mir selbst, Dem, was ich wirklich bin, nahe zu sein, mich wie meine Mitmenschen immer wieder zu reflektieren, zu (er)spüren und in der Tiefe zu erforschen. Ich bin deshalb nur dann gerne in Gesellschaft, wenn es sich lohnt, das heißt, wenn das Zusammensein mit einem anderen Menschen für mich einfach, still, ja, leer und zugleich berührend, lebendig, bereichernd, gesund und inspirierend ist respektive wenn es mir von Herzen Freude bereitet, für ihn da zu sein.

 

Und: Menschliche Gesellschaft, Zuwendung, Empathie und Verständnis kann unglaublich schön sein, aber kein Mensch kann mir die Liebe zu mir selbst, zu Dem, was ich wirklich bin, ersetzen.

 

Denn das ist mein und dein einziges, wirkliches Zuhause.

(aus: "Traum(a) und Partnerschaft, oder: Wie geht (Selbst)Liebe wirklich?" von Gabriele Rudolph, mehr dazu hier)

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